Tag der Arbeit
Der 01. Mai als Tag der Arbeit ist in Deutschland und vielen anderen Ländern ein Feiertag. Der Tag geht auf die Proteste der Arbeiterbewegung gegen schlechte Arbeitsbedingungen im 19. Jahrhundert zurück. Bis heute ist er ein wichtiger Feiertag – auch für die Demokratie!

Der Tag der Arbeit macht sich für Arbeitnehmendenrechte stark. Fortwährend ein wichtiges Thema, denn vielen Bereichen besteht weiterhin ein großer Nachholbedarf. Neben der Gesetzgebung müssen hierfür auch Arbeitgebende an ihre Verantwortung erinnert werden.
Aus einer demokratiefördernden Perspektive geht die Arbeitgebendenverantwortung aber noch weiter. Denn der Arbeitsplatz als Ort, an dem demokratische Werte gelebt werden, rückt in den Diskursen rund um die Zukunft der Demokratie zunehmend in den Fokus.
Wir haben den Tag zum Anlass genommen, um mit dem Verein Gesicht Zeigen! zu sprechen – über Demokratie im Arbeitskontext, die Verantwortung von Unternehmen und über demokratische Werte am Arbeitsplatz.
Interview mit Gesicht Zeigen!


Der Arbeitsplatz als politischer Ort
Bei Gesicht Zeigen! bestärken Sie mit dem Projekt United! Gemeinsam gegen
Rechtsextremismus Unternehmen, Verantwortung für demokratisch Werte und
Haltungen zu übernehmen. Welche Rolle spielt der Arbeitsplatz als Ort politischer
und gesellschaftlicher Auseinandersetzung – gerade am Tag der Arbeit?
Der Arbeitsplatz ist einer der letzten analogen Orte, an dem Menschen mit unterschiedlichen
Weltanschauungen aufeinandertreffen. Hier zeigt sich täglich, wie wir miteinander umgehen. Zu
behaupten, Arbeitsorte seien unpolitisch, verkennt die soziale Realität.
Gerade in Zeiten, in denen reaktionäre und rechtsextreme Kräfte versuchen überall
Grundsätze einzuschränken und die Demokratie anzugreifen, sind Werte wie Solidarität,
Respekt und Wertschätzung am Arbeitsplatz elementar und zugleich unter Druck. Die Botschaft
am Tag der Arbeit muss daher lauten: Solidarität statt Spaltung!
Rechtsextreme versuchen seit Jahren, die Arbeitswelt für ihre menschen- und
demokratiefeindliche Agenda zu instrumentalisieren und Beschäftigte gegeneinander
auszuspielen – besonders dort, wo Unsicherheit herrscht. Das gefährdet nicht nur den
Betriebsfrieden, sondern auch unser gesellschaftliches Zusammenleben. Unternehmen tragen
daher Verantwortung: Sie müssen demokratische Werte wie Respekt, Gerechtigkeit und
Solidarität aktiv schützen und fördern – nicht nur heute, sondern jeden Tag. Gesicht Zeigen!
unterstütz Unternehmen aktiv dabei.
Herausforderungen
Was sind aus Ihrer Sicht die drängendsten Herausforderungen in diesem Feld?
Jede*r dritte Beschäftigte in Deutschland hat bereits rechtsextreme Aussagen am Arbeitsplatz
erlebt, fast jeder Zehnte war persönlich betroffen (Gesicht Zeigen! 2024, S. 13). Trotz dieser
Zahlen wird Rechtsextremismus im Arbeitskontext oft unterschätzt und gleichzeitig nehmen die
Normalisierung rechtsextremer Positionen und ihre Verbreitung deutlich zu.
Die erste Herausforderung besteht daher darin, das Problembewusstsein in Unternehmen zu
schärfen und die gesellschaftliche Verantwortung zu verdeutlichen.
Außerdem braucht es funktionierende Meldewege, klare Zuständigkeiten und wirksame
Schutzmaßnahmen für Betroffene rechtsextremer (z.B. rassistischer, antisemitischer,
sexistischer oder queerfeindlicher) Übergriffe.
Ebenso wichtig ist es, die gesamte Belegschaft – vom Azubi bis zur Geschäftsführerin – für
rechtsextreme Einflussnahme zu sensibilisieren und zu ermutigen, zivilcouragiert zu handeln.
Führungskräfte tragen hier eine besondere Verantwortung: Sie müssen Vorbilder sein und
brauchen dafür gezielte Fortbildungen – ebenso wie alle anderen Beschäftigten. Nur so kann ein
demokratischer, sicherer Arbeitsplatz gewährleistet werden.
Zivilcourage am Arbeitsplatz
Was brauchen Beschäftigte, um in ihrem beruflichen Alltag Zivilcourage zeigen zu
können?
Um im beruflichen Alltag Zivilcourage zeigen zu können, brauchen Beschäftigte vor allem
Rückhalt – durch klare Positionierungen des Unternehmens gegen jede Form von
Diskriminierung und Rechtsextremismus.
Dazu gehören auch transparente Meldewege, unterstützende Ansprechpersonen und der Schutz
vor negativen Konsequenzen nach einem Eingreifen.
Wichtig sind außerdem Wissen und Handlungssicherheit: Beschäftigte müssen erkennen
können, wann rechtsextreme Aussagen oder Handlungen vorliegen, und wissen, wie sie
angemessen reagieren können. Dafür braucht es regelmäßige Trainings und
Sensibilisierungsmaßnahmen – für alle Hierarchieebenen. Denn Zivilcourage ist wie ein Muskel,
der regelmäßig trainiert werden muss.
Nicht zuletzt: Partizipations- und Gestaltungsmöglichkeiten (z.B. ein Betriebsrat) im eigenen
Unternehmen führen dazu, dass Mitarbeitende das Gefühl haben, selbst einen Unterschied
machen zu können und etwas zu bewegen. Auch eine offene, diskriminierungskritische
Unternehmenskultur, in der Solidarität und Vielfalt gelebt werden, stärkt das Vertrauen und den
Mut, sich einzumischen.
Unternehmensverantwortung
Wie erleben Sie die Bereitschaft von Unternehmen, sich im Bereich
Demokratiebildung zu engagieren? Sehen Sie hier jüngst einen Wandel?
Seit der Correctiv-Recherche Anfang 2024 über ein Treffen von Rechtsextremen, Politiker*innen
und Unternehmer*innen sowie den darauffolgenden Massenprotesten beobachten wir ein
wachsendes Interesse von Unternehmen, sich für Demokratiebildung und gegen
Rechtsextremismus zu engagieren. Die Nachfrage nach unseren Trainings und Angeboten ist
deutlich gestiegen – ein ermutigendes Signal.
Gleichzeitig nimmt auch der Handlungsdruck zu: Die Normalisierung rechtsextremer Positionen
macht auch vor Betrieben nicht halt. Unternehmen müssen sich jetzt klar positionieren –
Schweigen kann schnell als Zustimmung gewertet werden und besonders
Verantwortungsträger*innen sind gefordert, Haltung zu zeigen und ihre Belegschaft zu schützen.
Besorgniserregend sind jedoch die Entwicklungen in den USA, wo demokratische Werte und
Menschenrechte zunehmend unter Druck geraten. Gerade in solchen Zeiten müssen
Unternehmen Programme zur Gleichstellung, Vielfalt und Demokratie stärken – nicht kürzen.
Denn eine starke demokratische Kultur braucht aktives Engagement, auch und gerade im
Arbeitskontext.
Demokratieförderung
Wie könnten Arbeitgebende, Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche
Akteur*innen besser zusammenarbeiten, um Demokratie im Arbeitskontext zu
fördern?
Um Demokratie im Arbeitskontext wirksam zu stärken, braucht es eine enge und strategische
Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebenden, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen
Akteur:innen.
Arbeitgeber*innen sollten Strukturen schaffen, die Beteiligung ermöglichen, Vielfalt fördern und
klare Haltung gegen menschenfeindliche Ideologien zeigen. Gewerkschaften bringen die
notwendigen Erfahrungen im Bereich Mitbestimmung und Schutz von Beschäftigten ein.
Zivilgesellschaftliche Organisationen wiederum liefern Expertise in der Demokratiebildung und
bieten praxisnahe Trainings und Beratungsangebote.
Durch gemeinsame Projekte, regelmäßigen Austausch und abgestimmte Bildungsformate kann
ein starkes Netzwerk entstehen, das demokratische Werte im Alltag sichtbar und erlebbar
macht. Gesicht Zeigen! versteht sich daher auch seit jeher als Brückenbauer zwischen den
verschiedenen Akteur*innen. Entscheidend ist: Alle Beteiligten müssen das Thema als
gemeinsame Verantwortung verstehen – für eine Arbeitswelt, in der Solidarität, Vielfalt und
Menschenwürde selbstverständlich sind.