Tag der Nachbarschaft
Heute ist Tag der Nachbarschaft. Wir haben mir der Berliner Stadtmission und dem Verband für sozial-kulturelle Arbeit (VskA) gesprochen – über die Bedeutung von Nachbarschaft und ihre Arbeit darin – und darüber, wie sich jede*r Einzelne in der eigenen Nachbarschaft einbringen kann.

Seit 1999 feiern Menschen, Institutionen und vor allem Nachbarschaften am letzten Freitag im Mai den Tag der Nachbarschaft. Er soll uns daran erinnern, uns Zeit für unsere Nachbarschaft und die Menschen darin zu nehmen. Heute wollen wir einander ermutigen in den Austausch mit den Mitmenschen unseres Viertels oder Kiezes zu treten, sie kennenzulernen und sich gemeinsam einzubringen und gegenseitig zu unterstützen.
Wir haben zu diesem Anlass mit zwei Institutionen gesprochen, der Berliner Stadtmission und dem Verband für sozial-kulturelle Arbeit (VskA), in dem deutlich wird, welche Bedeutung die Nachbarschaft als Raum für ein gemeinschaftliches Zusammenleben einnimmt.
Interview mit der Berliner Stadtmission und dem Verband für sozial-kulturelle Arbeit


„Nachbarschaft“
Berliner Stadtmission, was bedeutet „Nachbarschaft“ für euch – welche Rolle spielt sie in eurer täglichen Arbeit?
Berlin ist groß, vielfältig und mitunter unübersichtlich – verschiedene Lebensrealitäten treffen aufeinander. Umso wichtiger ist es, Menschen dort zu begegnen, wo sie leben: mitten im Kiez. Nachbarschaft bedeutet für uns, Nähe zu schaffen, Orientierung zu geben und präsent zu sein – mit offenen Türen und offenen Ohren. Sie ist der Ort, an dem Gemeinschaft wachsen kann und Vertrauen entsteht.
VskA, was bedeutet für euch „Nachbarschaft“ – welche Rolle spielen Stadtteilzentren darin?
Nachbarschaft ist für uns mehr als nur ein Wohnort – sie ist der Ort gelebter Gemeinschaft. Nachbarschaft entsteht dann, wenn die Menschen die in einem Haus, einer Straße, einem Kiez gemeinsam leben, sich einander öffnen, sich kennenlernen und unterstützen, und sich zu einander bekennen. Berliner Stadtteilzentren sind zentrale Orte der Begegnung, an denen Nachbarschaft gemeinsam gestaltet wird. In allen Bezirken bieten sie Räume, um ins Gespräch zu kommen, sich auszutauschen und sich zu engagieren – unabhängig von Alter, Herkunft oder Lebenssituation. Sie fördern Teilhabe, stärken das Miteinander im Kiez und schaffen Vertrauen. So sind Stadtteilzentren quasi ein Katalysator für die Nachbarschaft, wo sie gestärkt und sichtbar wird, und sich frei entfalten kann.
Mission eurer Arbeit
Berliner Stadtmission, mit welcher Mission bringt sich die Berliner Stadtmission in Nachbarschaften ein? Wie hat sich diese Arbeit in den letzten Jahren verändert?
„Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum HERRN.“ – dieser Bibelvers aus Jeremia 29,7 prägt seit unserer Gründung im Jahr 1877 unser Handeln. Die Berliner Stadtmission versteht sich als lernende und lebendige Organisation, die angesichts gesellschaftlicher Segregation Räume der Begegnung schafft. Hier begegnen sich Menschen, finden Hilfe, geben Unterstützung, erleben Gemeinschaft und kommen mit dem Evangelium in Kontakt. Wir orientieren uns konsequent am Sozialraum – und das zunehmend vielfältig und vernetzt.
VskA, mit welcher Mission arbeiten die durch euch vernetzten Zentren in ihren Stadtteilen und Nachbarschaften? Wie hat sich die Arbeit der Nachbarschaftshäuser verändert?
Die Berliner Stadtteilzentren stehen für Partizipation, Inklusion und generationenübergreifende Arbeit. Ihre Mission ist es, Nachbarschaft als Ort aktiver Teilhabe zu gestalten – gemeinsam mit den Menschen im Kiez. Sie koordinieren Aktivitäten, fördern bürgerschaftliches Engagement und bieten Räume für Selbsthilfe und Vernetzung. Gefördert durch das Berliner Infrastrukturförderprogramm arbeiten sie parteipolitisch und konfessionell unabhängig. In den letzten Jahren haben sie sich zu vielseitigen Plattformen entwickelt, die flexibel auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren – digital, inklusiv und offen für neue Ideen.
Tag der Nachbarschaft
VskA, wie kann der Tag der Nachbarschaft dazu beitragen, dieser Mission ein Stück näher zu kommen?
Der Tag der Nachbarschaft ist mehr als nur ein Fest – er ist ein lebendiges Zeichen für Zusammenhalt und Vielfalt. Seit 1999 feiern Nachbarschaftshäuser und Stadtteilzentren in Deutschland im Mai die Woche der Nachbarschaft – mit Straßenfesten, Pflanzaktionen, Spaziergängen und Nachbarschaftsessen. Diese Veranstaltungen bringen Menschen zusammen, fördern inklusive Begegnungen und tragen die Arbeit der Zentren sichtbar nach außen. Die Woche ist Teil des europaweiten Fests der Nachbar*innen, das jedes Jahr am letzten Freitag im Mai gefeiert wird. Der VskA unterstützt diese Feste, die zeigen: gelebte Nachbarschaft ist bunt, solidarisch und überall möglich. Gemeinsam feiern heißt auch: die eigene Nachbarschaft, das geleistete Engagement, und die Mitarbeitenden zu zelebrieren und weitere Menschen im Kiez neugierig auf die Gemeinschaft zu machen.
Berliner Stadtmission, welche Bedeutung hat der Tag der Nachbarschaft für eure Arbeit? Wie kann er Menschen in schwierigen Lebenslagen sichtbarer machen?
Der Tag der Nachbarschaft ist eine wertvolle Gelegenheit, Begegnung, Solidarität und Sichtbarkeit im städtischen Raum zu fördern – insbesondere für Menschen, die im Alltag oft übersehen werden. Er macht Lebensrealitäten sichtbar, die sonst verborgen bleiben, und zeigt: Auch Menschen in schwierigen Lebenslagen sind Teil der Nachbarschaft – mit Würde, Stimme und Geschichte. Ein lebendiges Beispiel ist das Refugio in der Lenaustraße: ein Wohnprojekt für Menschen mit und ohne Fluchterfahrung, das mit Café, Kursen und Veranstaltungen einen offenen Ort der Begegnung im Reuterkiez schafft. Jüngst lud das Refugio zum Ostermarkt – mit kulinarischen Ständen, Kunsthandwerk und einem offenen Innenhof für alle aus der Nachbarschaft.
Mitmachen
Berliner Stadtmission, wie können Nachbarschaften als Orte helfen, Gemeinschaft und Solidarität im Kiez zu stärken?
Nachbarschaften sind Schlüsselorte für Integration, Teilhabe und Zusammenhalt. Das zeigt unser Begleitprogramm „Learning by doing“: Eine Anlaufstelle für Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte, die im Austausch mit Berliner*innen voneinander lernen und sich gegenseitig unterstützen. Professionelle Beratung, Sprach- und Jobcoaching, gemeinsame Aktivitäten – all das trägt dazu bei, Alltagssicherheit und Selbstständigkeit aufzubauen. Über 140 Ehrenamtliche begleiten derzeit rund 570 Teilnehmende aus 65 Nationen. Gemeinsam setzen sie ein starkes Zeichen gegen Rassismus und für ein solidarisches Miteinander. Ein Höhepunkt ist das „Interkulturelle Nachbarschaftsfest“ am 19. Juli – seit fünf Jahren fest im Spandauer Kalender verankert.
VskA, wie können Interessierte die Stadtteilzentren nutzen, um sich für ihre Nachbarschaft starkzumachen?
In Berliner Stadtteilzentren gibt es unzählige Möglichkeiten, sich einzubringen: durch eigene Projekte, Ehrenamt, offene Treffs oder kreative Ideen. Die Zentren verstehen sich als Orte um sämtliches zu ermöglichen. Wer etwas für die eigene Nachbarschaft tun will, findet dort Unterstützung, Vernetzung und konkrete Handlungsspielräume. Als Teil der sozialen Infrastruktur in jedem Bezirk stärken sie Eigeninitiative, fördern Engagement und machen es leicht, aktiv zu werden. Ob beim Nachbarschaftsfest, einem Workshop oder im kleinen Gespräch: Hier können alle mitgestalten und einen Unterschied machen und vor allem die Wirkung des eigenen Handels auf andere, den Kiez und sich selbst spüren.
Berliner Stadtmission, wie können Menschen aus der Nachbarschaft einen Beitrag zu eurer Mission leisten – auch jenseits klassischer Ehrenamtsrollen?
Es gibt viele Wege, unsere Arbeit zu unterstützen – auch über ehrenamtliches Engagement hinaus. Kleiderspenden, Hygieneartikel oder Schlafsäcke für obdachlose Menschen sind praktische Hilfen, die unmittelbar wirken. In unseren Kiezläden in Charlottenburg, Prenzlauer Berg und Tegel verkaufen wir zudem gut erhaltene Sachspenden – etwa Kleidung, Kleinmöbel, Hausrat oder Schmuck –, die wir in unseren Kleiderkammern nicht benötigen. So halten wir Spenden im lokalen Kreislauf, vermeiden Verschwendung und finanzieren mit dem Erlös soziale Projekte. Jede Spende, jede Unterstützung trägt dazu bei, Not zu lindern und Hoffnung zu stiften – mitten im Kiez.
VskA, wie können Einzelpersonen helfen, eurer Mission näher zu kommen?
Jede Person kann einen Unterschied machen – durch Zeit, Ideen oder ein offenes Ohr. Ob als ehrenamtlich Engagierte*r, als Teilnehmende*r an Angeboten oder einfach durch das gemeinsame Kaffee-Trinken im Stadtteilzentrum. Nachbarschaft beginnt im Kleinen und ist nur das, was die Menschen selbst aus ihr machen. Wichtig ist, neugierig zu bleiben, Vielfalt anzunehmen und Verantwortung für das direkte Umfeld zu übernehmen. Wer sich einbringt, verändert nicht nur die Gemeinschaft, sondern auch sich selbst.
Fazit
Der Tag der Nachbarschaft erinnert uns daran, wie wichtig und wertvoll unsere Nachbarschaft als direktes Umfeld ist. Hier gibt es viele Möglichkeiten, sich einzubringen.
Die Berliner Stadtteilzentren, die im Verband für sozial-kulturelle Arbeit organisiert sind, und die vielen Projekte der Berliner Stadtmission sind gute Beispiele, die zeigen, wie vielfältig die Wege sind, sich in der Nachbarschaft einzubringen.
Unser Appell: Bringt euch in bestehende Räume ein oder eröffne neue, in denen Nachbar*innen zusammenkommen können, achtet auf die Mitmenschen in eurem direkten Umfeld, geht auf sie zu und habt dabei besonders auch diejenigen im Blick, die oft übersehen werden – bezieht sie mit ein und unterstützt einander für eine Nachbarschaft in Gemeinschaft.